FLiB-Pressemeldung 01/2024

Aufs Dach geschaut

FLiB-Interview zum Sanieren von Steildächern

Bei allen Maßnahmen an der Gebäudehülle ist auf eine luftdichte Ausführung zu achten, heißt es in den Vorschriften der BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude). Durch die nötige Verbindung von Alt und Neu erweist sich das beim nachträglichen Ausbau und der Sanierung von Dächern als durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Dennoch finden ihre Besonderheiten in der Praxis oftmals nur wenig Beachtung – mit teils schwerwiegenden Folgen für die gesamte Konstruktion. Im Interview erörtert Oliver Solcher vom Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) e. V., wie dauerhafte Luftdichtheit im sanierten Dach gelingen kann.

Frage: Herr Solcher, der FLiB hat seinen Blick zuletzt besonders auf die Luftdichtheit im Dachbereich gerichtet. Woher rührt dieses besondere Interesse?

Antwort: Ausgebaute Steildächer sind Hotspots, wenn es um Bauschäden als Folge von Luftdichtheitsfehlern geht. Das hat zunächst mit einfacher Physik zu tun: Warme Luft hat immer den Drang nach oben, im Haus also in Richtung Dach. Weil sie dabei viel Feuchtigkeit aufnehmen kann, sammelt sich leicht jede Menge feuchter Raumluft im Dachgeschoss an. Stößt sie dort auf Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht, findet sie auch den Weg in die Leichtbaukonstruktion hinein. Im schlimmsten Fall säuft ein Dach von innen her regelrecht ab. Dieses Risiko ist nur den wenigsten bewusst. Das gilt übrigens nicht nur für Bau- und Sanierungswillige, sondern leider auch für viele Bauschaffende. Da lohnt es sich, das Thema ausführlicher zu beleuchten, vor allem, wenn es um Dachsanierungen geht.

Frage: Warum betonen Sie die Sanierungen? Die von Ihnen beschriebenen bauphysikalischen Vorgänge laufen im Neubau doch genauso ab.

Antwort: Das stimmt schon. Nur werden Neubauten in der Regel aus einem Guss geplant. Da kann man das Dach gleich so konzipieren, dass sich die notwendige dauerhaft dichte Ebene problemlos umsetzten lässt. Dagegen hat man es bei Sanierungen immer auch mit einem Bestandsgebäude und dessen Eigenarten zu tun – und die können für die Luftdichtheit des zu erneuernden Dachs einige Fallstricke bereithalten. Das fängt bei der Frage an, wo im Altbau die luftdichtende Ebene verläuft und ob sie sich von ihrer Substanz her überhaupt dazu eignet, beispielsweise Dampfbremsbahnen anzuschließen, die im Dach häufig als Luftdichtheitsschicht dienen. Und es reicht bis zu rissigen und somit per se undichten Balken und kaum zugänglichen, verwinkelten Anschlusssituationen, bei denen handwerkliches Geschick an natürliche Grenzen stößt. Hinzu kommen interne Leckagen des Gebäudes, die sich negativ auf die Luftdichtheit des Dachs auswirken. Vieles davon gilt übrigens auch für Leichtbaukonstruktionen, die komplett neu auf ein Bestandsgebäude gesetzt werden.

Frage: Das klingt nach einer echten Herausforderung für die Ausführenden. Worauf kommt es besonders an, damit dauerhafte Luftdichtheit bei Dachsanierungen gelingt?

Antwort: Zuallererst müssen sich die Verantwortlichen ein möglichst detailliertes Bild vom Bestandsgebäude machen. Dabei kann etwa ein Blower-Door-Test zur Leckagesuche hilfreich sein, der ganz nebenbei auch Hinweise auf eventuell weiteren Sanierungsbedarf liefert. Einfach nur die Dachschrägen zu erneuern reicht nämlich in den wenigsten Fällen aus. Dann gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse in ein Luftdichtheitskonzept und die sich anschließende Detailplanung zu überführen. Das heißt zum Beispiel, jemand schreibt fest, wo und wie die Dichtheitsebene im Dach verlegt und an den Bestand angeschlossen werden soll, welche Vorarbeiten dafür unter Umständen nötig sind, wie genau die Anschlussdetails ausgeführt und welche Materialien verwendet werden sollen. Da gibt es mittlerweile eine ganze Reihe bewährter Vorgehensweisen und auch Werkstoffe. Man muss nur die für den konkreten Fall geeigneten finden. Seitdem einige Hersteller sprüh- und streichbare Luftdichtung entwickelt haben, haben übrigens auch die zuvor erwähnten verwinkelten Anschlussdetails viel von ihrem Schrecken verloren. Und natürlich kommt es auch ganz stark auf eine gute Ausbildung der ausführenden Fachkräfte an. Denn auf eines gibt es bei Sanierungen fast schon eine Garantie …

Frage: Und das wäre?

Antwort: … dass es früher oder später zu Situationen kommt, mit denen in der Planungsphase niemand gerechnet hat. Dann ist es ungeheuer wichtig, fähige und auch für Luftdichtheitsfragen sensibilisierte Leute zu haben, die flexibel auf eine veränderte Lage reagieren können, anstatt stur ihr Programm abzuspulen. Die auch einschätzen können, wann es womöglich besser ist, nochmals bei Planern oder Vorgesetzen nachzufragen. Doch ganz unabhängig davon, wie qualifiziert die Ausführenden sein mögen: Spätestens zum Abschluss der Arbeiten an der luftdichten Hülle empfehlen wir vom FLiB einen Luftdichtheitstest zur Qualitätskontrolle. Er zeigt, ob überall einwandfrei gearbeitet wurde oder ob womöglich Nachbesserungsbedarf besteht. Wenn das alles abgearbeitet wird, lässt sich in aller Regel eine gute Luftdichtheit und damit der nötige Schutz der Dachkonstruktion vor Durchfeuchtung von innen erreichen. Die Realität auf Dachbaustellen sieht zur Zeit allerdings ganz anders aus. In den meisten Fällen dürfen wir schon froh sein, wenn ein einziger Punkt von der ganzen Liste erfüllt wurde. Alle wollen alles immer nur möglichst günstig haben.

Frage: Damit berühren Sie ein heikles Thema. Aktuell werden Aufträge reihenweise storniert, weil Bauen und Sanieren so teuer geworden ist. Zusätzlich herrscht überall Fachkräftemangel. Wie realistisch ist es, wenn Sie in dieser angespannten Lage auch für Dachsanierungen ein explizites Luftdichtheitskonzept, gleich mehrere Blower-Door-Tests und besonders qualifiziertes Personal fordern?

Antwort: Auf Faktoren wie die Baukonjunktur und die Lage am Arbeits- und Ausbildungsmarkt hat der FLiB keinen Einfluss. Da sind ganz andere Akteure am Zug. Wir können nur dem von unserer Satzung vorgegebenen Auftrag nachkommen, die Öffentlichkeit über luftdichtes Bauen zu informieren. Und was dabei wahr und richtig ist, ändert sich nicht mit der jeweils aktuellen Lage! Parallel arbeiten wir daran, unsere Praxisschulung „Luftdichtes Abdichten im Ausbau“ über die Handwerkskammern weiter zu verbreiten, damit Bau- und Sanierungswillige bessere Chancen haben, entsprechend qualifizierte Fachkräfte zu finden. Mit etwas Glück erreichen wir mit unserer Informationsarbeit, dass zumindest einige Menschen dazu bereit sind, sämtliche in Sachen Luftdichtheit wichtigen Schritte zu gehen, sobald sich das Bau- und Sanierungsgeschehen wieder belebt. Und auch jenen, die sich schon jetzt eine Dachsanierung leisten können und wollen, rufen wir zu: Nehmt auf dem Weg zur luftdichten Gebäudehülle keine vermeintlich günstige Abkürzung. Angesichts des hohen Schadenspotenzials ausgebauter Dächer spart ihr da definitiv am falschen Ende!

 

Tipp zum Schluss: Aktuell bereitet der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen eine Datenbank mit Personen vor, die die Praxisschulung „Luftdichtes Abdichten im Ausbau“ erfolgreich absolviert haben. Voraussichtlich ab Sommer 2024 zu finden unter www.flib.de.
Infos zu luftdichten Anschlussdetails gibt es schon jetzt unter www.luftdicht.info, Bereich Fachinformationen.

Bildmaterial

Bildunterschrift zu FLiB_OliverSolcher.jpg:
Oliver Solcher ist Geschäftsführer des Fachverbands Luftdichtheit im Bauwesen e. V. (FLiB). Foto: FLiB e. V. / Christina Kurby Foto

 
 
 

Allgemeine Hinweise

Für weitere Presseauskünfte und Rückfragen: Dipl.-Ing. Oliver Solcher • Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e. V. (FLiB e. V.) • Storkower Straße 158 • 10407 Berlin • Telefon: +49 30 2903 5634 • Telefax: +49 30 2903 5772 • E-Mail: info@flib.de
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